Blindenführhund

Ein Blindenführhund (auch Führhund, Blindenhund; englisch: guide dog) ist ein speziell ausgebildeter Hund männlichen oder weiblichen Geschlechts einer größeren Rasse mit positiven Persönlichkeitsmerkmalen, der Orientierung und Mobilität einer blinden oder hochgradig sehbehinderten Person bei der Bewegung im öffentlichen Raum verbessert und erweitert. Der Hund und die geführte Person bilden zusammen das Führgespann (kurz: Gespann).

Ein Führhund erhält seine Ausbildung in spezialisierten Blindenführhundeschulen von qualifiziertem Trainingspersonal und beendet sie mit einem Abschlusstest. Die grundsätzliche Eignung zum Führhund hinsichtlich positiver Wesensmerkmale und einer guten Gesundheit ist dabei schon vor Ausbildungsbeginn eingehend überprüft worden. Im Rahmen seiner Ausbildung erlernt der Hund zwischen 40 und 70 akustische Kommandos (die sogenannten Hörzeichen), die später auch die zu führende Person beherrschen muss. Bei den Kommandos kann es sich um deutsche, englische oder ans Italienische angelehnte Wörter handeln, die für den Hund gut wahrnehmbar und unterscheidbar sind. Eine zu führende Person erhält einen Hund, der hinsichtlich seines Wesens und der Körpergröße zu ihr passt. Zu Beginn der gemeinsamen Zeit absolviert das Gespann einen Einführungslehrgang, der in der Regel zwischen 2 und 4 Wochen dauert. Erst wenn sich im Rahmen dieses Lehrgangs zeigt, dass Halter*in und Hund zueinander passen und miteinander harmonieren, wird der Führhund offiziell übergeben. Innerhalb von 6 Wochen erfolgt dann eine Gespannprüfung, die die erfolgreiche Zusammenarbeit von Hund und Halter*in dokumentiert. Je nach Situation und Gesundheitszustand kann ein Hund bis zur Vollendung des 10. bis 12. Lebensjahres führen und tritt dann in den Ruhestand. Diese letzte Lebensphase verbringt er entweder bei seiner bisherigen Familie oder zieht in eine Patenfamilie um. Das Vorgehen wird vorher mit Führhundeschule und Krankenkasse abgesprochen.

Seine Führarbeit verrichtet der Hund stets im weißen Führgeschirr. Andere Personen dürfen den Führhund während seiner Arbeit nicht durch intensiven Blickkontakt, durch direkte Ansprache, Rufe, Pfiffe oder durch Berühren ablenken, denn dies kann das Gespann nicht nur in gefährliche Situationen bringen, sondern stellt für den Hund auch einen Verhaltenskonflikt dar, weil er einerseits die entgegengebrachte Aufmerksamkeit erwidern möchte, andererseits aber gleichzeitig auf die Führarbeit und somit auf seine Bezugsperson konzentriert ist. Zu den Fähigkeiten eines Blindenführhundes gehören:

  • Das für beide Beteiligte sichere Umgehen von Hindernissen wie Laternenmasten, Schildern, Pfützen und abgestellten Gegenständen (Mülltonnen, Fahrräder etc.); dazu gehören auch Höhenhindernisse wie Verkehrsschranken, ausgefahrene LKW-Laderampen, herabhängende Äste, überstehende Markisen, tief angebrachte Beschilderungen sowie freistehende Treppen, die unterlaufen werden könnten,
  • das Anzeigen von auf- und abwärtsführenden Bordsteinkanten und Treppen durch Stehenbleiben,
  • das Anhalten, weitergehen, umkehren und gezielte Wechseln der Gehrichtung auf entsprechende Kommandos hin,
  • das gezielte Aufsuchen und Anzeigen von Zebrastreifen, Ampelmasten, Haltestellen, Briefkästen, Fahrstuhltüren, freien Sitzgelegenheiten etc. auf entsprechende Kommandos hin,
  • das Aufsuchen von Fahrzeugtüren, Ein- und Ausgängen auf entsprechende Kommandos hin sowie das Ein- und Aussteigen bei öffentlichen Verkehrsmitteln,
  • das sich-lösen an angemessenen Orten und zu passenden Zeiten auf das entsprechende Kommando hin,
  • eine intelligente Gehorsamsverweigerung, wenn das von der geführten Person gegebene Kommando das Gespann in Gefahr bringen oder zu Verletzungen führen würde. So muss der Hund beispielsweise durch Stehenbleiben und ggf. sich-quer-stellen verhindern, dass die geführte Person eine Bahnsteigkante hinabstürzt, auch wenn sie vorher das Kommando zum Vorwärtsgehen gegeben hat.

Während der Ruhepausen und in der Freizeit trägt der Hund sein Führgeschirr nicht. Er ist dann „einfach nur Hund“ und sollte sich in seinem Verhalten in nichts von reinen, gut erzogenen Familienhunden unterscheiden. Die geführte Person muss deshalb in der Lage sein, dem Hund ein artgerechtes Leben inklusive ausreichender Spielgelegenheiten, Kontakt zu Artgenossen, regelmäßigen kurzen Versäuberungsgängen und täglichen längeren Spaziergängen mit Freilauf ohne Leine zu bieten. Im Freilauf trägt der Hund eine Kenndecke, die ihn als Blindenführhund ausweist und am Halsband eine Schelle oder Glocke, damit er von der blinden Bezugsperson gut geortet werden kann.

Weil der Hund regelmäßige Pausen benötigt, zwar zu vielen - aber nicht zu allen - Bereichen Zutritt hat und weil er selbstverständlich auch erkranken kann und dann ausfällt, muss die geführte Person in der Lage sein, sich auch ohne Hund sicher zu orientieren. Dabei setzt sie in der Regel einen Blindenlangstock ein. Der Führhund ersetzt also weder den Blindenlangstock völlig, noch macht er eine fundierte Schulung in Orientierung und Mobilität überflüssig. Trotz aller technischen Fortschritte bei den elektronischen Orientierungs-, Mobilitäts- und Navigationshilfen sowie der elektronikgestützten Hindernis- und Objekterkennung ist es derzeit undenkbar, dass sich ein blinder Mensch ohne entweder einen Langstock oder einen Führhund selbständig im öffentlichen Verkehrsraum bewegt.

Die Kosten für einen Blindenführhund werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Hierzu gehören auch die „Unterhaltskosten“ in Form von monatlich pauschal gezahltem „Futtergeld“. Auch die Kosten für regelmäßige und ungeplante Tierarztbesuche sowie für die Ersatzbeschaffung eines Führgeschirrs werden nach Vorlage der entsprechenden Rechnungen erstattet. Im hierarchisch gegliederten Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Hilfsmittelverzeichnis) sind Blindenführhunde in der Produktgruppe 07 Blindenhilfsmittel, Anwendungsort 07.99 ohne speziellen Anwendungsort/Zusätze, Untergruppe 07.99.09 Blindenführhunde in der Produktart 07.99.09.0 Blindenführhunde gelistet.

Geeignete Rassen und Individuen

Hinsichtlich des Körperbaus müssen Hund und geführte Person zueinander passen. Kleine Hunderassen eignen sich deshalb ebenso wenig für die Führhundausbildung wie Riesenrassen. Als ungefähre Richtwerte sind eine Schulterhöhe zwischen 50 und 70 Zentimeter und ein Gewicht unter 40 Kilogramm vorgegeben. Weil sich das Gespann häufig im öffentlichen Raum bewegt und oft in einer größeren Familie lebt, ist bei der Wahl der Rasse auch die soziale Akzeptanz zu berücksichtigen. Darum werden häufig der Labrador, der Golden Retriever, der Schäferhund oder der Königspudel und entsprechende Mischrassen gewählt.

Wichtiger noch als die konkrete Wahl der Rasse ist die Auswahl des Individuums. In den Anforderungen der gesetzlichen Krankenversicherung an Blindenführhunde heißt es hierzu:

Zur Ausbildung sollen nur friedfertige, intelligente, wesensfeste, nervenstarke, arbeitsbelastbare, gut sozialisierte, gesunde Junghunde mit hoher Frustrationstoleranzgrenze und geringer emotionaler Erregbarkeit, wenig territoriale, nicht sozial expansive, kaum jagdlich interessierte Individuen verwendet werden.

Der potentielle Blindenführhund darf zwar von einem gewerblichen Züchter, nicht aber aus der Massentierzucht oder aus dem Tierheim stammen. Die individuelle Eignung des Welpen zum Führhund aufgrund seines Wesens und seiner Gesundheit wird eingehend überprüft.

Welpen- und Junghundezeit

Seine Kindheit und frühe Jugend verbringt ein zur Führhundausbildung vorgesehener Junghund entweder beim späteren Trainingspersonal in der Blindenführhundeschule oder in einer Patenfamilie. Schon in dieser Zeit soll er mit möglichst vielen verschiedenen Umweltaspekten Erfahrungen machen, also etwa Lärm und Stille, enge und weitläufige Bürgersteige, Menschenansammlungen, öffentliche Verkehrsmittel, Einkaufszentren, Praxisräume, Supermärkte, Restaurants, Kirchen etc. - und natürlich möglichst viele verschiedene Menschen und Tiere - kennenlernen.

Ausbildung

Zu Beginn seiner Führhundausbildung sollte der Junghund zwischen 15 Monaten und zwei Jahren alt sein. Hunde, die eine Ausbildung als Jagd- oder Schutzhund begonnen bzw. absolviert haben, sind zur Blindenführhundausbildung nicht zugelassen. Bezogen auf die Trainingsmethoden heißt es in den Anforderungen an die Führhundausbildung im GKV-Hilfsmittelverzeichnis:

Die Ausbildung eines Hundes zum Blindenführhund muss unter Beachtung der einschlägigen Normen und/oder Gesetze zur Tierzucht, Tierhaltung, Tierunterbringung und Tierausbildung, insbesondere unter Beachtung des deutschen Tierschutzgesetzes erfolgen. Für die Ausbildung zum Blindenführhund sind die dem aktuellen Stand der Wissenschaft und den Lerntheorien entsprechenden Methoden anzuwenden. Den Bedürfnissen des Hundes muss bestmöglich Rechnung getragen werden. Erkenntnisse über das Verhalten von Hunden sowie artgerechte Mittel und Methoden der Hundeerziehung und Methoden des Hundetrainings müssen handlungsleitend sein. Tierschutzwidrige Mittel und Methoden wie der Einsatz von "Starkzwang" (z.B. Verwendung eines Stachel-/Würgehalsbands, Schläge, Applikation von Stromschlägen etc.) sind nicht zulässig. Es ist zudem nicht zulässig zu versuchen, Lernziele zu erreichen, indem der Hund erschreckt oder in Angst versetzt wird.

Einarbeitungslehrgang, Übergabe, Gespannprüfung

Nimmt ein an einem Führhund interessierter blinder bzw. sehbehinderter Mensch mit einer Führhundeschule Kontakt auf, so wählt die Schule einen Hund aus, der charakterlich und körperlich zu ihm oder ihr passt. Halter*in und Hund lernen sich idealerweise schon Monate vor „Dienstantritt“ des Hundes kennen.

Dieser Dienstantritt erfolgt im Rahmen eines zwei- bis vierwöchigen Einarbeitungslehrgangs (auch kurz "Einschulung" genannt), der besonders intensiv ausfallen muss, wenn es sich um eine Erstführhundversorgung handelt. Ein Großteil der Einschulung findet am Wohnort der zu führenden Person statt. Es wird u. A. sichergestellt, dass einerseits die zu führende Person dem Hund vertraut und dass andererseits der Hund die zu führende Person als „Frauchen“ oder „Herrchen“ akzeptiert. Der Hund lernt dabei die üblichen späteren Wege kennen, die zu führende Person wird bei Bedarf mit den Details des Verhaltens eines Hundes, den Hörzeichen, der Pflege und der Versorgung des Hundes vertraut. Erst nach erfolgreichem Abschluss dieser Einschulungsphase, in der sich Hund und geführte Person aufeinander einspielen und als Gespann zusammenfinden, wird der Führhund offiziell übergeben.

Etwa sechs Wochen nach der Übergabe wird von einer dafür qualifizierten neutralen Person die sogenannte Gespannprüfung abgenommen. Im Rahmen dieser Prüfung werden beim Gespann folgende Aspekte sichergestellt:

  • sichere Führung im Straßenverkehr,
  • Beobachtung der Verkehrssituation durch Hund und Halter sowie adäquate Signalisierung von Warnhinweisen durch den Hund,
  • Warnung vor der Umgehung von Hindernissen, die zwar für den Hund ungefährlich, für den Halter aber verletzungsgefährdend sind,
  • adäquate Reaktion des Halters auf Warnhinweise des Führhundes,
  • Gesamtzusammenarbeit des Gespanns.

Rechte und Pflichten

Damit ein Gespann möglichst lange erfolgreich zusammenarbeiten kann, haben Führhundeschule, Krankenkasse und Führhundhalter*in Rechte und Pflichten:

  • Die Führhundeschule übernimmt für den Hund Gewährleistung. Dies kann eine oder mehrere Nachschulungen des Hundes bzw. des Gespanns bedeuten, wenn etwaige Führmängel von der Schule zu verantworten sind. Kann ein Gespann trotz Nachschulung nicht zusammen arbeiten bzw. stellt sich der Hund trotz sorgfältiger Vorbereitung und Schulung im Nachhinein als ungeeignet für Führaufgaben heraus, muss dies die Hundeschule erkennen und darauf reagieren.
  • Die zu führende Person muss die dauerhafte angemessene Versorgung des Führhundes sicherstellen. Hierzu gehören: Eine angemessene und gesunde Ernährung, Fellpflege, regelmäßige Tierarztbesuche inklusive notwendiger Impfungen, regelmäßige Versäuberungsgänge, tägliche Spaziergänge, ausreichend Spielmöglichkeiten und Kontakt zu anderen Hunden.
  • Die Krankenkasse übernimmt neben den Anschaffungskosten des Führhundes auch die regelmäßigen Kosten für Futter, Tierarztbesuche und Ersatz von Zubehör wie Leinen, Halsbänder und Führgeschirre.

Entscheidungshilfen pro bzw. contra Führhund

Für einen Blindenführhund grundsätzlich in Frage kommen Personen:

  • Die willens und in der Lage sind, einen Hund zu halten - mit allen Konsequenzen wie etwa Spaziergänge bei Wind und Wetter, Bereitschaft sich im Bedarfsfall um ein Krankes Tier zu kümmern, Berührung mit den Ausscheidungen des Hundes, Einschränkungen bzw. intensive Vorausplanung bei Ausflügen und Urlauben etc.
  • deren Familie den Hund uneingeschränkt akzeptiert und ggf. bei der Versorgung unterstützt,
  • die sowohl unter Einsatz eines Hundes als auch - alternativ oder zusätzlich - eines Blindenlangstocks orientierungs- und mobilitätstechnisch in der Lage sind, sich sicher im öffentlichen Verkehrsraum zu bewegen,
  • die im Beruf die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen treffen, auch bei einem Vollzeitjob den Hund in den Pausen zu versorgen, sich mit ihm zu beschäftigen und ihm Auslauf zu bieten.

Weiterführende Informationen