Weitsichtigkeit

Version vom 21. Juni 2019, 16:28 Uhr von NadigO (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „Als Weitsichtigkeit (eigentlich: Übersichtigkeit; fachsprachlich: Hyperopie bzw. Hypermetropie) bezeichnet man das Unvermögen, in der Nähe scharf sehen zu k…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Als Weitsichtigkeit (eigentlich: Übersichtigkeit; fachsprachlich: Hyperopie bzw. Hypermetropie) bezeichnet man das Unvermögen, in der Nähe scharf sehen zu können. Darüber, ob eine betroffene Person weit entfernte Gegenstände scharf sehen kann, entscheidet das Ausmaß der Weitsichtigkeit. Ursache der Hyperopie ist eine fehlende Abstimmung der Baulänge des Auges und der Brechkraft seiner brechenden Medien, zu denen vor Allem Hornhaut und Linse gehören. Dafür kann es zwei Gründe geben:

  1. Einen zu Kurzen Augapfel (Achsenhyperopie) oder
  2. eine zu schwach ausgeprägte Krümmung von Hornhaut oder Linse (Brechungshyperopie).

Genau wie die Stärke der Kurzsichtigkeit, so wird auch der Ausprägungsgrad der Weitsichtigkeit in Dioptrien (dpt) angegeben. Dabei ist die Dioptrie ein Maß für die Brechkraft eines Brillenglases bzw. einer Kontaktlinse, mit der die Weitsichtigkeit ausgeglichen werden kann. Weitsichtigkeit ist in der Regel genetisch bedingt.

Ursachen

Emmetropie und Ametropie

Um Gegenstände unabhängig von ihrer Entfernung klar und deutlich sehen zu können, müssen sie scharf auf der Netzhaut abgebildet werden. Im „Optimal-Auge“ wird dies dadurch gewährleistet, dass die Brechkraft von Hornhaut und Linse einerseits sowie die Länge des Augapfels andererseits genau aufeinander abgestimmt sind. Dieser Zustand wird als Rechtsichtigkeit (Emmetropie) bezeichnet. Der Emmetropie werden verschiedene Formen der Fehlsichtigkeit (Ametropie) gegenübergestellt, zu denen auch die Weitsichtigkeit gehört.

Akkommodation im rechtsichtigen Auge

Um die lichtempfindlichen Sinneszellen auf der Netzhaut zu erreichen, durchquert das sichtbare Licht Beim Sehvorgang nahezu den kompletten Augapfel. Die Lichtstrahlen durchdringen dabei die Hornhaut, die mit Kammerwasser angefüllte vordere Augenkammer, die Linse und den Glaskörper. Diese vier Strukturen zusammen bilden die brechenden Medien des Auges, die auch als dessen dioptrischer Apparat bezeichnet werden. Während die Länge des Augapfels und somit die Distanz zwischen Hornhaut und Netzhaut stets konstant ist, können die betrachteten Gegenstände, von denen die Lichtstrahlen ausgehen, vom Auge jedoch sehr unterschiedlich weit Entfernt sein: Beim Lesen eines Buchs beispielsweise beträgt der Sehabstand 30 bis 50 Zentimeter, beim Blick aus einem Flugzeug liegen zwischen Auge und betrachtetem Objekt unter Umständen mehrere Kilometer.

Damit Gegenstände unabhängig von ihrer Entfernung klar und deutlich gesehen werden können, muss das Auge die Lichtstrahlen in jedem Fall immer exakt so brechen, dass das sich das betrachtete Objekt scharf auf der Netzhaut abbildet. Dafür sind die brechenden Medien des Auges verantwortlich.

Je näher ein betrachteter Gegenstand dem Auge ist, um so stärker müssen die von ihm ausgehenden Lichtstrahlen gebrochen werden, damit das Bild auf der Netzhaut scharf ist. Der dioptrische Apparat des Auges mit all seinen brechenden Medien muss deshalb in der Lage sein, seine Brechkraft situationsabhängig anzupassen: Beim Anschauen naher Objekte muss die Brechkraft erhöht, beim Blick auf weit entfernte Dinge muss sie verringert werden. Die situationsabhängige Brechkraftveränderung der Linse ist der wichtigste Aspekt der flexiblen Anpassung des Auges an Nah- und Fernsicht - der sogenannten Akkommodation. Nahsicht ist mit Nahakkommodation, Fernsicht mit Fernakkommodation verbunden.

Der dioptrische Apparat des Auges verfügt über zwei Linsen: Die Hornhaut und die Augenlinse. Der Brechwert der Hornhaut kann nicht aktiv variiert werden, darum erfolgt die Anpassung der Brechkraft des Auges allein über Veränderungen an der Linse.

Die Brechkraft der Linse kann über die Anspannung eines speziellen Muskels, des Strahlenkörpermuskels (Ziliarmuskel) geregelt werden: Über flexible Bänder, die Zonula-Fasern, ist die Linse am Strahlenkörper (Ziliarkörper) aufgehängt. Ist der Strahlenkörpermuskel entspannt, üben die Zonula-Fasern einen straffen Zug auf die Linse aus und zwingen sie in eine stark abgeplattete Form. In diesem Zustand ist die Linse minimal lichtbrechend. Weit entfernte Gegenstände werden dabei scharf auf der netzhaut abgebildet - das Auge ist Fernakkommodiert.

Will ein Betrachter nahe Objekte scharf sehen, muss das Auge die Brechkraft seines optischen Systems erhöhen - und zwar um so stärker, je näher ihm der anvisierte Gegenstand ist. Dies wird durch eine Anspannung des Ziliarmuskels erreicht. Mit zunehmender Anspannung lockert sich nämlich der Zug der Zonulafasern auf die Linse. Diese kann dann mehr und mehr ihre natürliche, kugelförmige, stärker lichtbrechende Gestalt annehmen. Bei maximaler Anspannung des Ziliarmuskels ist das Auge „auf Nahsicht eingestellt“ (nahakkommodiert), denn im maximal lichtbrechenden Zustand der Linse werden nahegelegene Objekte scharf auf der Netzhaut abgebildet.

Die Verhältnisse im Weitsichtigen Auge

Weit entfernte Gegenstände werden im fernakkommodierten Auge nur dann scharf auf der Netzhaut abgebildet, wenn die Länge des Augapfels auf die Brechkraft des dioptrischen Apparats bei entspanntem Ziliarmuskel abgestimt ist. Diese Feinabstimmung ist im weitsichtigen Auge nicht vorhanden, weil entweder der Augapfel zu kurz oder Hornhaut bzw. Linse unnatürlich schwach gekrümmt sind. Beide Abweichungen führen dazu, dass das Auge im Vergleich zu seinem Aufbau über eine zu geringe Brechkraft verfügt. Dies hat zur Folge, dass bei weitsichtigen Personen das scharfe Bild sehr weit entfernter Gegenstände bei fernakkommodiertem Auge nicht auf der Netzhaut entsteht, sondern hinter der Netzhaut entstehen würde, wenn dies anatomisch möglich wäre. Um weit entfernte Objekte scharf sehen zu können, muss der weitsichtige Mensch anschaulich gesprochen „das scharfe Bild nach vorne auf die Netzhaut holen“. Dies lässt sich durch eine Anspannung des Ziliarmuskels bewerkstelligen, wobei die Zonula-Fasern erschlaffen, die Linse kugeliger wird und dadurch ihre Brechkraft zunimmt. Ein weitsichtiges Auge muss also nahakkommodieren, um Dinge in weiter Ferne scharf sehen zu können.

Die Brechkraft bei Weitsichtigkeit reicht jedoch Selbst bei stärkstmöglicher Anspannung des Ziliarmuskels, also bei maximaler Nahakkommodation, nicht aus, um nahegelegene Objekte scharf auf der Netzhaut abzubilden.

Korrektur durch Sehhilfen

Die zu schwache Brechkraft eines weitsichtigen Auges kann durch die Hinzunahme einer Sammellinse verstärkt werden. Betroffene können der Kurzsichtigkeit also durch das Tragen von Brillen mit Plusgläsern (Nahbrillen) oder Kontaktlinsen mit Sammelfunktion entgegenwirken und sie im Idealfall damit ausgleichen. Eine Sammellinse ist nach außen (konvex) gewölbt. Ihre Brechkraft, die sich in Dioptrien messen lässt, ist positiv. Bei optimaler Anpassung wird den Lichtbrechenden Medien des Auges durch die Brille bzw. die Kontaktlinsen gerade so viel Brechkraft hinzugefügt, dass eine kurzsichtige Person für das scharfe Sehen weit entfernter Objekte nicht mehr nahakkommodieren muss und dass die zusätzliche Brechkraft ausreicht, um bei maximaler Anspannung des Ziliarmuskels nun auch nahe Gegenstände scharf sehen zu können.

Weitsichtigkeit und Alterssichtigkeit

Immer wieder wird die Alterssichtigkeit fälschlicherweise als „Altersweitsichtigkeit“ bezeichnet. Dies birgt die Gefahr der Gleichsetzung von Übersichtigkeit (Hyperopie) und Alterssichtigkeit (Presbyopie). Zwar benötigen alterssichtige Menschen - genau wie dies auf übersichtige/weitsichtige Personen schon in jungen Jahren zutrifft - eine Nahbrille, aber die Gründe dafür, nahe Gegenstände nicht scharf sehen zu können, sind Verschiedene: Dem übersichtigen Auge mangelt es an Brechkraft, im alterssichtigen Auge ist die Linsen-Elastizität drastisch eingeschränkt, so dass es kaum noch nahakkommodieren kann.

Da die Linsen aller Menschen im Alter an Elastizität einbüßen, werden auch weitsichtige Personen zusätzlich alterssichtig. Junge weitsichtige Menschen können - wie bereits erläutert - zumindest weit entfernte Gegenstände scharf sehen, wenn Sie die Ziliarmuskeln anspannen und damit nahakkommodieren. Wenn durch Alterssichtigkeit die Fähigkeit zur Nahakkommodation verloren geht, können Weitsichtige weder nahe, noch ferne Gegenstände scharf sehen. Wesentlich früher noch als „nur“ alterssichtige Personen benötigen weitsichtige Menschen im Alter sowohl eine Nah-, als auch eine Fernbrille bzw. sind auf Multifokal- bzw. Gleitsichtbrillen angewiesen.

Risiken, Folgen und Behandlungswürdigkeit

  • Ist die Ursache der Weitsichtigkeit ein zu kurzer Augapfel (Achsenhyperopie), ist das Risiko für ein Glaukom stark erhöht. Grund hierfür ist eine zu enge Augenvorderkammer mit einem zu spitzen Kammerwinkel, über den das Kammerwasser dann nicht ohne Behinderung abfließen kann.
  • Wird ausgeprägte Weitsichtigkeit im Kindesalter diagnostiziert, sollte sie unbedingt auch dann mit Hilfe von Brillen bzw. Kontaktlinsen ausgeglichen werden, wenn sich dadurch subjektiv keine Verbesserung der Sehfähigkeit ergibt. Starke Weitsichtigkeit im jungen Kindesalter birgt nämlich die Gefahr, dass das betreffende Kind ein Einwärtsschielen entwickelt. Bleibt das Schielen unbehandelt, wird der Seheindruck des schielenden Auges vom Gehirn unterdrückt. Im Rahmen einer Schielamblyopie entsteht dann eine nicht mehr rückgängig zu machende echte Sehbehinderung des betroffenen Auges.
  • Sofern noch keine Alterssichtigkeit vorliegt, kann die Weitsichtigkeit durch Nahakkommodation zumindest teilweise ausgeglichen werden. Als Folge hiervon sind die Augen weitsichtiger Personen jedoch oft dauerüberlastet, weil der Ziliarmuskel ständig angespannt wird. Symptome wie schwere Augenlider, gerötete oder entzündete, tränende Augen, Kopfschmerzen, Schwindel und Verschwommen-Sehen, die bisweilen unter dem Begriff Asthenopie zusammgefasst werden, sind die Folge.

Behandlung

  • Ein zu kurzer Augapfel kann ursächlich nicht behandelt werden.
  • Die Anwendung chirurgischer Verfahren an den lichtbrechenden Strukturen des Auges wird als refraktive Chirurgie bezeichnet.
    • Durch gezieltes Abtragen von Hornhautmaterial kann die Brechkraft des Auges erhöht werden. Als häufigste Methode wird hierbei das LASIK-Verfahren verwendet.
    • Ist eine zu schwach gekrümmte Linse die Ursache der Weitsichtigkeit, kann eine intraokulare Kunstlinse die gewöhnliche Brechkraft des Auges wiederherstellen.

Zahlen und Fakten

Wie viele Menschen von Weitsichtigkeit betroffen sind, ist stark altersabhängig: In der Altersgruppe der 25- bis 30Jährigen sind schätzungsweise 6,4 % aller Europäer betroffen. In der Altersgruppe der 55- bis 59Jährigen steigt der Anteil auf 31,2 % an und sinkt dann wieder.

Weiterführende Informationen

Filme und Simulationen