Dioptrischer Apparat

Unter der Bezeichnung dioptrischer Apparat (dioptrisch = lichtbrechend) werden alle lichtbrechenden Strukturen des Auges zusammengefasst. Diese sind dafür verantwortlich, dass das Gesehene Scharf auf der Netzhaut abgebildet wird. Etwas präziser formuliert besteht die Hauptaufgabe des dioptrischen Apparats darin, mittels Lichtbrechung (Refraktion) alle Lichtstrahlen, die von einem Punkt eines betrachteten Objekts ausgehen, auch wieder in einem Punkt auf der Netzhaut zusammenzuführen. Dabei entsteht auf der Netzhaut (Retina) ein scharfes, umgekehrtes, verkleinertes Bild des Objekts. Folgende Strukturengehören zum dioptrischen Apparat:

  • Die Hornhaut,
  • die vordere und die hintere Augenkammer - genauer: Das durch die vordere und hintere Augenkammer strömende Kammerwasser,
  • die Linse und
  • der Glaskörper.

Damit das Licht bis zur Netzhaut vordringen kann, müssen sämtliche Strukturen des dioptrischen Apparats durchscheinend sein.

Bestandteile des dioptrischen Apparats

Das Auge funktioniert grundsätzlich wie eine Kamera. Deshalb lässt sich jedem Bestandteil des dioptrischen Apparats ein Kamera-Bauteil zuordnen.

Hornhaut

Die durchsichtige Hornhaut (Cornea) wölbt sich wie ein Kuppelfenster über den vorderen Teil des Augapfels. Über sie treten die Lichtstrahlen ins Auge ein. Dadurch, dass die Hornhaut nach außen (konvex) gekrümmt ist, wirkt sie wie eine Sammellinse, die hindurchtretende Lichtstrahlen bündelt. Ihre Brechkraft beträgt etwa 43 Dioptrien. Trübung oder Verkrümmung der Hornhaut führen zu Fehlsichtigkeiten.

Vorderkammer

Die Vorderkammer des Auges ist der Raum zwischen der Hinterfläche der Hornhaut und der Vorderfläche der Regenbogenhaut. Regenbogenhaut (Iris) und Hornhaut (Cornea)) treffen an den Außenseiten der Vorderkammer im sogenannten Kammerwinkel (Iridocornealwinkel) zusammen. Dort befindet sich der „Abfluss“ für das Kammerwasser, mit dem die Vorderkammer angefüllt ist. An der Grenzfläche zwischen Hornhaut und Kammerwasser kommt es zu einer weiteren, wenn auch geringfügigen, Lichtbrechung.

Pupille

Damit die Lichtstrahlen von der Vorderkammer weiter in die Hinterkammer des Auges gelangen können, besitzt die Regenbogenhaut eine größenverstellbare Öffnung: Das Sehloch (die Pupille). Die Pupille fungiert als Blende, die sich bei starkem Lichteinfall reflexartig verengt und in dunkler Umgebung reflektorisch weitet.

Hinterkammer

Die im Vergleich zur Vorderkammer wesentlich kleinere Hinterkammer des Auges ist der Raum zwischen der Hinterfläche der Regenbogenhaut und der Vorderfläche der Linse. Wie die Vorderkammer, so ist auch die Hinterkammer mit Kammerwasser gefüllt. Vorder- und Hinterkammer stehen über die Pupille miteinander in Verbindung, so dass das Kammerwasser, welches in der Hinterkammer gebildet wird, zwischen beiden Räumen zirkulieren kann. Neben der Linse enthält die Hinterkammer diejenige Struktur, die der Linse ihre Formanpassung ermöglicht: Den Strahlenkörper (Ziliarkörper, Corpus ciliare), In dessen Fortsätzen das Kammerwasser gebildet wird.

Linse

Die durchsichtige Linse (Lens Oculi, Lens crystallina) ist dasjenige Element des dioptrischen Apparats, dessen Brechkraft sich der jeweiligen Sehsituation anpassen lässt. Sie hat die typische bikonvexe „Linsengestalt“, d. h., dass sowohl ihre Vorder- als auch ihre Hinterfläche nach außen (konvex) gewölbt sind. Dabei weist die Hinterfläche die stärkere Krümmung auf. Die Linse ist mit Hilfe der sogenannten Zonula-Fasern am Strahlenkörper (Ziliarkörper) aufgehängt. Über den Ziliarmuskel kann der Zug der Zonula-Fasern reguliert werden: Im entspannten Zustand des Ziliarmuskels üben die Zonula-Fasern einen starken Zug auf die Linse aus und zwingen diese in eine abgeplattete Form. In diesem Zustand beträgt die Brechkraft der Linse etwa 19 Dioptrien. Bei angespanntem Ziliarmuskel lockert sich der Zug der Zonula-Fasern. Dadurch kann die Linse mehr und mehr ihre natürliche Kugelgestalt annehmen. Je kugeliger die Linse, um so stärker ihre Brechkraft. Die Brechkraft der maximal kugeligen Linse eines jungen Menschen beträgt etwa 33 Dioptrien. Durch die Anspannung und Entspannung des Ziliarmuskels und die damit verbundene Formänderung der Linse wird die Brechkraft des dioptrischen Apparats an die jeweilige Sehsituation angepasst. Eine Eintrübung der Linse, die in der Regel erfolgreich durch Ersatz der natürlichen Linse durch eine Kunstlinse behandelt werden kann, nennt man grauen Star (Katarakt). Der Zustand, dass ein Auge keine Linse besitzt (weil sie von Geburt an Fehlt oder ohne Ersatz durch eine Kunstlinse entfernt wurde), wird als Aphakie bezeichnet.

Glaskörper

Der Glaskörper liegt zwischen der Hinterfläche der Linse und der Netzhaut. Er besteht zu 98 % aus Wasser und zu 2 % aus dem Eiweiß Kollagen sowie aus Hyaluronsäure. Er verleiht dem hinteren Augenabschnitt Stabilität und ist mit dafür verantwortlich, dass die Netzhaut der sie ernährenden Aderhaut anliegt. Eintrübungen des Glaskörpers können dazu führen, dass die betroffene person mückenartige Strukturen im Gesichtsfeld wahrnimmt.

Anpassung an Nah- und Fernsicht

Der dioptrische Apparat muss in der Lage sein, Gegenstände (nahezu) unabhängig von ihrer Entfernung scharf auf der Netzhaut abzubilden. Hierzu muss vor Allem die Brechkraft des optischen Systems im Auge situativ angepasst werden.

Linsen: Brennweite, Brechkraft, Dioptrien

Eine lichtdurchlässige, gleichmäßig nach außen (konvex) gekrümmte Fläche wirkt als Sammellinse. Dies bedeutet: Parallele Lichtstrahlen, die auf ihre gewölbte Oberfläche fallen, laufen nach dem Durchgang durch die Linse aufeinander zu, so dass sie sich in einem Punkt hinter der Linse treffen. Dieser Punkt wird als Brennpunkt bezeichnet. Der in Metern gemessene Abstand zwischen der Hinterfläche einer Linse und ihrem Brennpunkt wird Brennweite genannt.

Je stärker die Linse gekrümmt ist, desto größer ist ihre Fähigkeit, Lichtstrahlen zu bündeln. Bei stark gekrümmten Linsen ist also der Abstand zwischen Linsen-Hinterfläche und Brennpunkt kleiner - ihre Brennweite ist geringer als die Brennweite schwach gekrümmter Linsen. Es gilt deshalb der Zusammenhang:
Je stärker die Linsenkrümmung, um so kleiner die Brennweite. Ein maß für die Fähigkeit einer Linse, Lichtstrahlen zu brechen, so dass sie nach dem Durchgang durch die Linse entweder aufeinander zu oder voneinander wegstreben, ist die Brechkraft. Nach außen gewölbte (konvexe) Linsen bündeln Lichtstrahlen. Ihnen wird eine positive Brechkraft zugeordnet. Nach innen gewölbte (konkave) Linsen sind Zerstreuungslinsen. Ihnen wird eine negative Brechkraft zugeordnet. Allgemein steigt die Brechkraft mit der Linsenkrümmung an. Deshalb gilt die Beziehung:
Je kleiner die Brennweite, um so größer die Brechkraft.
Die Brechkraft wird in Dioptrien (dpt) angegeben. Dabei ist eine Dioptrie definiert als der Wert „eins geteilt durch die Brennweite“.
Beträgt die Brennweite einer Linse also beispielsweise 20 Zentimeter (0,2 Meter), so hat sie eine Brechkraft von 1/0,2 = 5 Dioptrien. Umgekehrt lässt sich anhand der Dioptrienangabe die Brennweite einer Linse errechnen. Die Brennweite der Hornhaut mit ihren etwa 43 Dioptrien beträgt somit ungefähr
1/43 = 0,023 Meter = 2,3 Zentimeter.

Anpassung der Brechkraft im dioptrischen Apparat

Für die scharfe Abbildung eines weit entfernten Gegenstands ist weniger Brechkraft erforderlich als zur scharfen Abbildung eines nahen Objekts. Hat beispielsweise ein Fußballfan von der Tribüne aus einige Zeit lang das Spielgeschehen auf dem Rasen beobachtet und schaut nun auf sein Smartphone, muss der dioptrische Apparat seiner Augen die Brechkraft erhöhen. Kündigt die Geräuschkulisse im Stadion aber eine spannende Spielphase an, wird der Fan die Augen vom Smartphone lösen und wieder die weit entfernten Spieler auf dem Feld beobachten. Um sie scharf zu sehen, muss der dioptrische Apparat die Brechkraft für die Fernsicht wieder verringern.

Die Brechkraft des Auges setzt sich - etwas vereinfacht dargestellt - aus der Brechkraft der Hornhaut und der Brechkraft der Linse zusammen. Die Brechkraft der Hornhaut ist aktiv nicht veränderbar und beträgt etwa 43 Dioptrien.
Die Brechkraft der Linse lässt sich in gewissen Grenzen indirekt über die Anspannung des Ziliarmuskels verändern: Die Linse ist mit Hilfe der Zonula-Fasern am Strahlenkörper (Ziliarkörper) aufgehängt. Ist der Ziliarmuskel schlaff, üben die Zonula-Fasern einen starken Zug auf die Linse aus und zwingen sie in eine schwächer lichtbrechende, abgeplattete Form. Dabei beträgt die Brechkraft der Linse etwa 19 Dioptrien. Je stärker der Ziliarmuskel sich anspannt, desto mehr lockert sich der Zug der Zonula-Fasern, und die elastische Linse kann um so mehr ihre natürliche, stark lichtbrechende Kugelgestalt annehmen. Beim jungen Menschen mit maximal elastischer Linse steigt deren Brechkraft dadurch auf etwa 33 Dioptrien.

Bei entspanntem Ziliarmuskel (geringere Brechkraft) ist der dioptrische Apparat auf Fernsicht (scharfes Sehen sehr weit entfernter Gegenstände) eingestellt. Verringert sich die Distanz zwischen Betrachter und betrachtetem Objekt, erhöht der dioptrische Apparat die Brechkraft durch immer stärkere Anspannung des Ziliarmuskels. Wie erläutert vermindert sich dadurch mehr und mehr der Zug der Zonula-Fasern auf die Linse. Diese nimmt dadurch mehr und mehr eine Kugelgestalt an, und ihre Brechkraft erhöht sich.

Akkommodation

Die Fähigkeit des dioptrischen Apparats, das Auge aktiv und dynamisch optimal an wechselnde Sehabstände und damit flexibel an Nah- und Fernsicht anzupassen, wird Akkommodation genannt. Der wichtigste Aspekt der Akkommodation ist die bereits geschilderte Anpassung der Brechkraft der Linse. Daneben werden jedoch zusätzlich der Blickwinkel und die Pupillenweite angepasst: Beim Blick in die Ferne stehen die Augen parallel, beim Fixieren nahegelegener Objekte drehen sie sich einwärts (nasenwärts) und nach unten, was man als Konvergenz bezeichnet. Die Pupillen sind beim Anblicken ferner Gegenstände weitgestellt, damit viel Licht ins Auge fällt. Beim Betrachten naher Gegenstände werden sie verengt, wodurch die Tiefenschärfe steigt. Die Brechkraft der Linse ändert sich beim Prozess der Akkommodation nicht allein aufgrund der Anpassung ihrer Krümmung; die Linsenfasern werden auch umgeschichtet, wodurch ihr Brechungsindex beeinflusst wird.

Nahpunkt, Fernpunkt und Akkommodationsbreite

In der Praxis ist die Anpassungsfähigkeit des dioptrischen Apparats beschränkt; schon aus rein physikalischen Gründen ist es nicht möglich, beliebig ferne und beliebig nahe Objekte völlig scharf zu sehen. Der „Anpassungsspielraum“, innerhalb dessen der dioptrische Apparat Gegenstände scharf auf der Netzhaut abbilden kann, wird Akkommodationsbreite genannt. Die Akkommodationsbreite liegt zwischen dem Nahpunkt und dem Fernpunkt: Der Nahpunkt ist diejenige Entfernung vom Auge, die ein Objekt mindestens haben muss, um es scharf sehen zu können. Alles, was dem Auge näher als der Nahpunkt ist, kann nicht mehr scharf abgebildet werden. Objekte in der Entfernung des Nahpunkts scharf zu sehen, verlangt vom dioptrischen Apparat die maximal mögliche Nahakkommodationsleistung, also die größtmögliche Anspannung des Ziliarmuskels. Gewissermaßen der Gegenpol zum Nahpunkt ist der Fernpunkt. Es ist der Maximalabstand vom Auge, bis zu dem Gegenstände noch scharf abgebildet werden können. Objekte im Abstand des Fernpunkts scharf zu sehen setzt maximale Fernakkommodation voraus. Diese wird bei vollkommen entspanntem Ziliarmuskel erreicht.

Fehlsichtigkeiten

Alterssichtigkeit

Mit zunehmendem Lebensalter verliert die Linse mehr und mehr an Elastizität. Dies bedeutet, dass sie bei angespanntem Ziliarmuskel und nachlassendem zug der Zonulafasern immer weniger in der Lage ist, ihre natürliche Kugelgestalt anzunehmen. Mit dem Alter verliert die Linse also die Fähigkeit, ihre Brechkraft bei Bedarf zu steigern.

Dies bedeutet, dass ein Mensch mit zunehmendem Alter immer schlechter nahakkommodieren kann. Der Nahpunkt rückt mehr und mehr in die Ferne, die Akkommodationsbreite nimmt ab. Liegt der Nahpunkt beim Neugeborenen gerade einmal in einer Entfernung von 7 Zentimetern, so liegt er im Alter von 40 Jahren bereits bei 20 Zentimmetern, im Alter von 45 Jahren bei 30 zentimetern und im Alter von 50 Jahren durchschnittlich bei 50 Zentimetern. Die Arme werden sprichwörtlich „zum Lesen zu kurz“. Im Kleinkindalter beträgt die Akkommodationsbreite ganze 14 Dioptrien - durch Anspannung des Ziliarmuskels kann die Brechkraft der Linse von 19 auf 33 Dioptrien erhöht werden. Im Alter von 50 Jahren beträgt sie nur noch etwa 2 Dioptrien und kann jenseits des 65. Lebensjahres auf einen Wert von 0,5 Dioptrien sinken, was bedeutet, dass der Nahpunkt ganze eineinhalb Meter vor den Augen liegt.

Das Phänomen der altersabhängigen Abnahme der Akkommodationsbreite durch sich ständig verringernde Linsenelastizität wird Alterssichtigkeit (Presbyopie) genannt.

Weitere Formen der Fehlsichtigkeit

Neben der Elastizität der Linse ist ein funktionsfähiger dioptrischer Apparat auch auf den regelgerechten Bau des Augapfels, eine sogenannte Emmetropie, angewiesen. Abweichungen vom regelgerechten Bau des Augapfels, sogenannte Ametropien, gehen mit charakteristischen Formen von Fehlsichtigkeiten einher:

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