Brailleschreibmaschine

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Eine Brailleschreibmaschine (Auch als Brailleschrift-Schreibmaschine, Punktschriftmaschine, Punktschrift-Schreibmaschine, Blindenschreibmaschine, Blindenschriftmaschine oder Blindenschrift-Schreibmaschine; englisch: Braille Typewriter bezeichnet) ist ein eigenständiges Gerät, über das blinde Menschen mit Hilfe speziell angeordneter Tasten fühlbare Zeichen der Blindenschrift auf Papier prägen. In Abgrenzung zu der mit den Fingern zu ertastenden Blindenschrift wird die mit den Augen zu lesende Schrift sehender Menschen als Schwarzschrift bezeichnet; entsprechend lassen sich die Brailleschreibmaschinen den Schwarzschrift-Schreibmaschinen gegenüberstellen.

Für das Prägen der Blindenschrift mit einer Brailleschreibmaschine wird Papier verwendet, das im Vergleich zu Standard-DIN A4-Papierbögen sehr viel dicker ist und als Punktschriftpapier bezeichnet wird. Dies ist notwendig, da der Prägevorgang beim Schreiben, aber auch das spätere Lesen durch die über die Seiten gleitenden Finger und selbst die Aufbewahrung das Papier mechanisch beanspruchen.

Wie bei Schwarzschrift-Schreibmaschinen, so wird auch bei Brailleschreibmaschinen das Papier über eine drehbare Walze zugeführt und zeilenweise in vertikaler Richtung bewegt. Der eigentliche Prägevorgang findet mit Hilfe eines beweglichen Schreibkopfs statt. An genau festgelegten Positionen stanzen kleine Prägestifte von unten her gleichzeitig exakt diejenigen Punkte ins Papier, die für die Darstellung eines einzelnen Zeichens der Blindenschrift erforderlich sind. Danach rückt der Schreibkopf um eine Zeichenposition weiter und kann das nächste Brailleschriftzeichen prägen. Nachdem das letzte Zeichen einer Textzeile geschrieben wurde, wird der Schreibkopf nach links an den Zeilenanfang zurückgeholt und das Papier durch Drehen der Walze oder Betätigen eines speziellen Zeilenschalt-Knopfes um eine Zeile weiter bewegt. Randsteller ermöglichen die Anpassung des Schreibbereichs an verschiedene Zeilenlängen und Papierbreiten. Ein Klingelzeichen, das bei mechanischen Brailleschreibmaschinen mit dem rechten Randsteller gekoppelt ist, warnt rechtzeitig vor dem Erreichen des Zeilenendes.

Im hierarchisch gegliederten Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Hilfsmittelverzeichnis) sind Brailleschreibmaschinen in der Produktgruppe 07 Blindenhilfsmittel, Anwendungsort 07.99 ohne speziellen Anwendungsort/Zusätze sowohl in der Untergruppe 07.99.05 mechanische Schreibhilfen und Schreibgeräte für Blinde, Produktart 07.99.05.3 mechanische Brailleschreibmaschinen als auch in der Untergruppe 07.99.07 Elektromechanische und elektronische Geräte zum Prägen von Brailleschrift, Produktart 07.99.07.0 Elektromechanische und elektronische Brailleschreibmaschinen gelistet.

Aufbau und Funktionsweise

Das Bedienkonzept einer Brailleschreibmaschine orientiert sich am Aufbau der klassischen, aus sechs Punkten bestehenden Blindenschrift, wie sie Louis Braille Anfang des 19. Jahrhunderts erdacht hat: Für jeden der 6 nummerierten Punkte, aus denen sich ein klassisches Brailleschrift-Zeichen maximal zusammensetzen kann, gibt es auf einer Brailleschreibmaschine eine Schreibtaste. Dabei stehen drei Punkte-Positionen in einer linken Spalte drei Punkte-Positionen in einer rechten Spalte gegenüber. Die Punkte der linken Spalte sind von oben nach unten mit 1, 2 und 3 durchnummeriert, die Punkte der rechten Spalte tragen - von oben nach unten betrachtet - die Positionsnummern 4, 5 und 6. Dadurch ergibt sich für jedes Braillezeichen die folgende Anordnung:

Linke Punkte-Spalte rechte Punkte-Spalte
Punkt 1 Punkt 4
Punkt 2 Punkt 5
Punkt 3 Punkt 6

Auf dem Tastenfeld der Brailleschreibmaschine sind die Tasten für die 6 Punkte in handergonomischer Position nebeneinander angeordnet. Die Tasten, die für die Braillepunkte 1, 2 und 3 in der linken Spalte zuständig sind, liegen - in der angegebenen Reihenfolge von rechts nach links angeordnet - in der linken Gerätehälfte. Die Tasten, die für die Braillepunkte 4, 5 und 6 der rechten Spalte zuständig sind, liegen - in der angegebenen Reihenfolge von links nach rechts angeordnet - in der rechten Gerätehälfte. Zwischen den beiden Tastengruppen ist ein größerer Abstand gelassen, um dort - etwas näher zum Benutzer gerichtet und ergonomisch mit dem Daumen zu bedienen - die Leertaste als weitere Bedientaste zu platzieren.

Zu Beginn des Eingabevorgangs ruhen die Finger in einer der Grundhaltung auf einer Schwarzschrift-Schreibtastatur vergleichbaren Grundstellung auf den Tasten. Dieses Schema wird über die folgende Tabelle verdeutlicht:

Tastenanordnung Punkt 3 Punkt 2 Punkt 1 Leertaste Punkt 4 Punkt 5 Punkt 6
Fingersatz linker Ringfinger linker Mittelfinger linker Zeigefinger Daumen rechter Zeigefinger rechter Mittelfinger rechter Ringfinger

Um ein aus mehreren Punkten bestehendes Brailleschriftzeichen einzugeben, werden sämtliche benötigten Tasten gleichzeitig heruntergedrückt und wieder losgelassen. Zum Schreiben des Kleinbuchstabens „l“ beispielsweise, der durch die Braillepunkte 1, 2, 3 repräsentiert wird, betätigen der linke Zeigefinger, der linke Mittelfinger und der linke Ringfinger simultan die ihnen zugeordneten Tasten für die Punkte 1, 2 und 3.

In der Regel sind Brailleschreibmaschinen mit zwei weiteren Funktionstasten ausgestattet:

  • Einer Zeilenschalt-Taste zum zeilenweisen Vorschub des Papiers,
  • einer Rückschritt-Taste, um den Schreibkopf ein Zeichen nach links zu transportieren.

Das Ausradieren versehentlich geprägter Punkte kann mit einem sogenannten Korrekturgriffel erfolgen. Da die auf diese Weise oder mit Hilfe eines Fingernagels „weggekratzten“ Punkte jedoch nie vollständig getilgt werden können und sich beim Überschreiben der so bearbeiteten Papierbereiche Unleserlichkeiten ergeben, ist dazu zu raten, fehlerhaften Text durch Betätigen aller sechs Schreibtasten mit sogenannten Vollzeichen zu überschreiben und somit quasi durchzustreichen.

Unterschiede

Wie die klassischen Modelle der Schwarzschrift-Schreibmaschinen, so funktionieren auch die älteren Brailleschreibmaschinen rein mechanisch. Da der Brailleschrift-Prägevorgang eine gewisse Fingerkraft erfordert, gibt es in Analogie zu den Schwarzschrift-Schreibmaschinen auch elektrische Brailleschreibmaschinen, deren Tasten mit geringer Kraft betätigt werden können. Ferner gibt es elektronische Brailleschreibmaschinen mit integriertem Speicher. Diese Geräte können in der Regel an ein Computersystem angeschlossen werden und so als Ersatz für einen Brailledrucker dienen.

Einige Brailleschreibmaschinen verfügen über Vorrichtungen zum Beschreiben von Klebestreifen (Beschriftungsband)

Achtpunkt-Brailleschreibmaschinen

Im Computerzeitalter wurden der klassischen Literaturbrailleschrift mit dem Aufkommen der ersten Braillezeilen zwei zusätzliche Punkte mit den Nummern 7 und 8 hinzugefügt, um mehr Zeichen der Schwarzschrift mit einem einzigen Braillezeichen darstellen zu können. Der Punkt 7 ist dabei in der linken Punkte-Spalte unterhalb von Punkt 3, Punkt 8 in der rechten Punkte-Spalte unterhalb von Punkt 6 angeordnet.

Einige Brailleschreibmaschinen ermöglichen das Schreiben dieser erweiterten 8-Punkt-Computerbrailleschrift. Dazu ist links der Taste für Punkt 3 eine zusätzliche Schreibtaste für Punkt 7 und rechts neben der Taste für Punkt 6 eine zusätzliche Schreibtaste für Punkt 8 angeordnet. Für das Betätigen dieser Tasten sind die jeweiligen kleinen Finger zuständig. Elektronische Brailleschreibmaschinen verfügen - genau wie Brailledrucker - serienmäßig über die Möglichkeit der Erzeugung von 8-Punkt-Brailleschrift.

Verbreitung

Der zunehmende Gebrauch von Computern, Smartphones und Tablet-PCs im Zusammenspiel mit einem Screenreader - und meist auch mit einer Braillezeile - bzw. der Einsatz von Blindennotizgeräten haben bewirkt, dass Brailleschreibmaschinen sowohl im privaten wie im beruflichen Kontext zunehmend seltener genutzt werden. Als Argumente gegen die intensive Verwendung einer (mechanischen) Brailleschreibmaschine werden der hohe Geräuschpegel beim Tippen, das Gewicht der Geräte sowie der Platzbedarf zur dauerhaften Aufbewahrung des beschriebenen Punktschriftpapiers angeführt. Trotzdem dürfen die Vorteile einer strom- und computerunabhängigen Notizmöglichkeit auf einem langlebigen Medium nicht übersehen werden. Das Beschriften von Klebebändern, Folien und Etiketten zum Aufbau eines punktschriftbasierten Ordnungssystems am Arbeitsplatz ist ein oft gewürdigter Einsatzbereich für eine Brailleschreibmaschine.

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