Achromatopsie: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. Mai 2019, 09:31 Uhr

Achromatopsie (auch Achromasie) bezeichnet das völlige Unvermögen, Farben voneinander zu unterscheiden. Die Achromatopsie ist also gleichbedeutend mit einer kompletten Farbenblindheit, während die im Alltag oft als „Farbenblindheit“ bezeichnete Rot-Grün-Sehschwäche eine Farbenfehlsichtigkeit ist. Von Achromatopsie betroffene Personen werden Achromaten genannt. Achromaten können Farben nur anhand von Helligkeit und Helligkeitsunterschieden unterscheiden; außerdem lernen sie von Kindheit an, bestimmte Objekte mit Farben in Verbindung zu bringen (die grüne Wiese, das rote Feuerwehrauto).

Formen und Ursachen

Es werden zwei Formen der Achromatopsie unterschieden:

  • Bei der angeborenen Variante, der sogenannten okulären Achromatopsie, liegt die Ursache der Farbenblindheit im Auge: Aufgrund von ererbten Gendefekten fehlen der Netzhaut entweder die für das Farbsehen verantwortlichen Lichtsinneszellen (die Zapfen) oder die Zapfen sind zwar vorhanden, können aber die für das Farbensehen unverzichtbaren Farbstoffe nicht ausbilden.
  • Bei der erworbenen Variante liegt die Ursache für die Farbenblindheit im Gehirn: Die für das Farbensehen zuständigen Hirnregionen können infolge von Schlaganfällen oder Verletzungen ausfallen.

Verlauf

Die Achromatopsie ist entweder angeboren oder erworben. In beiden Fällen ändert sich der Sehstatus nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen Augenerkrankungen schreitet die Achromatopsie also nicht fort.

Symptome und Auswirkungen auf das Sehvermögen

Bei der angeborenen Achromatopsie stehen vier Symptome im Vordergrund:

  • Extreme Blendempfindlichkeit: Die dem Achromaten verbleibenden, für das Helligkeits- und Bewegungssehen zuständigen Sehzellen vom Typ der Stäbchen sind sehr viel lichtempfindlicher als die Zapfen. Bei farbtüchtigen Personen sind die Stäbchen deshalb bei hellem Tages- oder Kunstlicht inaktiv und übernehmen ihre Hauptrolle beim Sehvorgang nur bei dunklen Lichtverhältnissen und in der Dämmerung. Bei Achromaten, die über keine funktionstüchtigen Zapfen verfügen, sind die Stäbchen auch bei Tage stets aktiv. Sie werden dann aber von der Lichtflut überreizt. Dies äußert sich beim Achromatopsie-Betroffenen als extreme Blendung.
  • Herabgesetzte Sehschärfe: Die Sehschärfe eines Achromatopsie-Betroffenen beträgt unter optimalen Beleuchtungsverhältnissen nur etwa 10 % und damit ein Zehntel des Normwertes. Ohne Blendschutz vermindert sich diese Sehschärfe mit steigender Umgebungshelligkeit weiter. Bei hellem Sonnenlicht kann sie bis auf 0 sinken, wenn Betroffene aufgrund starker Blendung nur noch eine milchig-graue einheitliche Fläche vor Augen sehen. Die gesunde Netzhaut verfügt über etwa 120 Millionen Stäbchen und nur etwa 6 Millionen Zapfen. Die Tatsache, dass der Verlust von etwa 5 % aller Lichtsinneszellen zur Einbuße von über 90 % der Sehschärfe führt, liegt an der unterschiedlichen Verschaltung der Zapfen und der Stäbchen mit dem Sehnerv. Im übertragenen Sinne hat fast jeder Zapfen seine „eigene Verbindung“ zum Sehnerv, während sich viele Stäbchen eine einzige Verbindung teilen - ein nützlicher Umstand, der die Zapfen für das Erkennen von Details bei Tage und die Stäbchen für das gute Sehen in dunkler Umgebung rüstet. Wenn, wie bei der Achromatopsie, nun alle Zapfen ausfallen, werden die meisten Informationskanäle zum Sehnerv nicht mit Information versorgt.
  • Lichtscheu (Photophobie): Weil Achromaten in heller Umgebung schnell geblendet sind und sich ihre ohnehin stark herabgesetzte Sehschärfe dort weiter reduziert, meiden sie wenn möglich helles Tageslicht und hell ausgeleuchtete Umgebungen.
  • Unwillkürliches Augenzittern (Nystagmus): Genau in der Mitte der Netzhaut, auf die bei normalen Blickbewegungen das Bild des angeschauten Gegenstands fällt, besitzen Achromaten keine funktionstüchtigen Sehzellen. Die Zitterbewegungen des Nystagmus sind willentlich nicht kontrollierbare „Suchbewegungen“ des Gehirns, um eine Stelle auf der Netzhaut zu finden, auf der sich angeschaute Objekte scharf abbilden.

Bei der Erworbenen Achromatopsie, für die die Ursachen der Farbenblindheit im Gehirn liegen, sind die Augen voll funktionstüchtig. Sind die Hirnregionen, die für Kantenerkennung und Flächenunterscheidung verantwortlich sind unbeeinträchtigt, ist die Sehschärfe dieser Personen normal. Dann liegt eine isolierte Farbsinnstörung vor.

Nützliche Hilfsmittel und Arbeitstechniken

Auch wenn die Achromatopsie keine fortschreitende Erkrankung ist und die Diagnose in jedem Fall stets einen kompletten Ausfall des Farbensehens bedeutet: Die Empfehlung sehbehinderten- bzw. blindenspezifischer Hilfsmittel und Arbeitstechniken darf sich nicht am Krankheitsbegriff orientieren. Vielmehr müssen Hilfsmittel und Arbeitstechniken auf die aktuellen Lebensumstände, insbesondere die individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz, abgestimmt sein. Dies bedeutet, dass Sehhilfenanpassungen und Hilfsmittelberatungen nach einer Veränderung der Lebenssituation oder der beruflichen Tätigkeit wiederholt werden sollten. Die folgenden Aussagen sind deshalb nur als allgemeine Leitsätze zu verstehen und ersetzen in keinem Fall eine individuelle Lowvision- oder EDV-Beratung:

  • Gegen zu großen Lichteinfall können Schirmmützen bzw. Sonnenbrillen getragen oder Brillen mit seitlichem Blendschutz verwendet werden.
  • Als Blendschutz lassen sich Kantenfilterbrillen und getönte Kontaktlinsen einsetzen. Für unterschiedliche Lichtverhältnisse benötigen die Betroffenen unter Umständen verschiedene Kantenfilterbrillen.
  • Um die geringe Sehschärfe auszugleichen, werden optische und elektronische Vergrößerungshilfen für die Ferne (Monokulare, Tafelkameras) und die Nähe (Lupen, Lupenbrillen und Bildschirmlesegeräte) verwendet.
  • Für die PC-Arbeit stehen Bildschirmvergrößerungsprogramme mit und ohne Sprachausgabe zur Verfügung.
  • Zur Farberkennung können Smartphone-Apps oder spezielle Farberkennungsgeräte herangezogen werden.

Behandlung

Da die Achromatopsie ererbt wird, bestünde die wirksamste Behandlung in einer Gentherapie. Inzwischen sind etliche Achromatopsie-Gene bekannt. Zu einer möglichen Gentherapie führen die Universitäten Tübingen, München und New York derzeit Forschungsstudien durch.

Zahlen und Fakten

In Deutschland gibt es ungefähr 3 000 Fälle von Achromatopsie. Damit zählt die komplette Farbenblindheit zu den seltenen Augenerkrankungen. Weltweit sind schätzungsweise eine Million Menschen betroffen.

Weiterführende Informationen

Augenheilkundliches Hintergrundwissen

Selbsthilfeorganisationen

Filme

Broschüren