Glaukom (grüner Star): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. Mai 2019, 23:40 Uhr

Das Glaukom (der „grüne Star“) bezeichnet verschiedene Formen fortschreitender Augenerkrankungen, die die Schädigung des Sehnervs an der Eintrittsstelle zum Gehirn gemeinsam haben. Unbehandelt kann ein Glaukom über tendenziell von außen nach innen zunehmende Gesichtsfeldausfälle bis zur Erblindung führen. Ein erhöhter Augeninnendruck ist zwar die bekannteste und häufigste, nicht aber die einzig mögliche Ursache eines Glaukoms. Augenmediziner bezeichnen das Glaukom als „heimtückisch“, weil es - abgesehen vom akuten Glaukomanfall - keine Schmerzen verursacht und die anfänglichen Gesichtsfeldeinschränkungen nicht auffallen, da sie vom Gehirn „weggerechnet“ werden. Suchen Betroffene infolge merklicher Gesichtsfeldausfälle den Augenarzt auf, sind meist bereits mindestens 30 % der Fasern des Sehnervenkopfes unwiederbringlich geschädigt. Auch wenn ein Glaukom bei einem normgerechten Augendruck entstanden ist: Die Therapie der Wahl ist in jedem Fall die Senkung des Augendrucks. Risikofaktoren für ein Glaukom sind ein Alter ab etwa 45 Jahren, Glaukomerkrankungen im familiären Umfeld, hohe Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit, schwarze Hautfarbe sowie ein chronisch von der Norm abweichender Blutdruck.

Kurzgefasste Augenanatomie

Im Folgenden werden nur die für das Verständnis des Glaukoms bedeutsamsten Strukturen des Auges beschrieben.

Im vorderen Abschnitt besitzt das Auge zwei natürliche Hohlräume: Die Vorderkammer und die Hinterkammer. Die Vorderkammer erstreckt sich von der Hinterfläche der Hornhaut (vorne) bis zur Vorderfläche der Regenbogenhaut (hinten). Die Hinterkammer ist der Raum zwischen der Hinterfläche der Regenbogenhaut und der Vorderfläche des Glaskörpers und beherbergt den größten Teil der Linse. Vordere und hintere Augenkammer stehen über die Pupille, eine größenverstellbare Öffnung in der Regenbogenhaut, miteinander in Verbindung. Hinter der hinteren Augenkammer liegt der Glaskörper - eine klare, gelartige Masse, die den Raum zwischen Hinterfläche der Linse und Vorderfläche der Netzhaut ausfüllt.

Vordere und hintere Augenkammer sind mit Kammerwasser angefüllt. Diese Flüssigkeit wird in der Hinterkammer gebildet, gelangt über die Pupille in die Vorderkammer und fließt dort im sogenannten Kammerwinkel ab. Der Kammerwinkel ist der Winkel, den Hornhaut und Regenbogenhaut zueinander bilden. Beim Abfließen sickert das Kammerwasser zunächst durch die Spalträume des Trabekelwerks, das einem schwammartigen Sieb vergleichbar ist, rinnt durch den Schlemm'schen Kanal und gelangt über ein Geflecht von Venen in der Lederhaut wieder zurück in den Blutkreislauf. Das Kammerwasser versorgt Linse und Hornhaut mit Nährstoffen und sorgt im Regelfall für einen angemessenen Augeninnendruck, indem sich Produktion und Abfluss des Kammerwassers bei einer intakten Zirkulation die Waage halten. Wie der Blutdruck, so wird auch der Augeninnendruck in „Millimeter Quecksilbersäule“ (mmHg) gemessen. Der normgerechte Augeninnendruck Schwankt je nach Tageszeit und körperlicher Belastung zwischen 10 und 25 mmHg.

Im hinteren, lichtabgewandten Teil der Netzhaut sitzen die lichtempfindlichen Sinneszellen (Photorezeptoren). Sie wandeln Lichtenergie in elektrische Sinnesinformation um. Von den Lichtsinneszellen gelangt die elektrische Information über informationsverarbeitende Zwischenzellen in die vorderste Netzhautschicht. Diese besteht aus speziellen Nervenzellen, den sogenannten Ganglienzellen. Deren Fortsätze bündeln sich und bilden an einer als Papille bezeichneten Stelle das vordere Ende des Sehnerven (den „Sehnervkopf“. Bei einer augenärztlichen Untersuchung des Augenhintergrunds erscheint die Papille als gelbliche Scheibe mit einer leichten, mittig gelegenen Eindellung, einer Exkavation. Die Fasern des an der Papille beginnenden Sehnervs transportieren die vorverarbeiteten Sinnesreize zum Gehirn, wo dann die eigentliche Lichtwahrnehmung entsteht.

Ursachen und Auswirkungen

Oft - aber nicht immer - entsteht ein Glaukom durch erhöhten Augeninnendruck. Verantwortlich für die dauerhafte Drucksteigerung kann erstens eine Überproduktion, zweitens ein verminderter Abfluss oder drittens eine gestörte Zirkulation des Kammerwassers sein. In allen drei Fällen entstehen mechanische Druckkräfte, die über den Glaskörper auf die empfindlichen Fasern des Sehnervenkopfes einwirken.

Sämtliche Glaukomfälle alleine auf Druckschädigungen der Sehnervenfasern zurückführen zu wollen, greift jedoch zu kurz; denn auf diese Weise kann weder das Auftreten von Normaldruckglaukomen, noch der Umstand erklärt werden, warum viele Personen trotz chronisch erhöhten Augendrucks kein Glaukom ausbilden. Die Tatsache, dass sowohl ein von der norm abweichender Blutdruck, als auch eine hormonbedingte übermäßige Engstellung der Blutgefäße des Auges Risikofaktoren für das Glaukom darstellen, hat eine mangelhafte Nährstoffversorgung des Sehnervs ins zentrum der Betrachtungen gerückt. Sowohl mechanischer Druck auf Gefäße als auch ihre übermäßige Engstellung bewirken eine Minderdurchblutung, die sich besonders negativ auf die hochaktiven Zellen des Sehnervs mit ihrem außerordentlichen Nährstoffbedarf auswirkt. Ursache eines Glaukoms ist also ein Missverhältnis zwischen dem herrschenden Augendruck und der erforderlichen Durchblutung der Sehnervpapille.

Unabhängig von der Ursache hat eine Schädigung des Sehnervs zur Folge, dass immer weniger Lichtsinnesinformation vom Auge zum Gehirn transportiert wird. Bei einer durch Glaukom geschädigten Papille vergrößert sich die Exkavation, und der Sehnervenkopf erscheint blasser. In den Gesichtsfeldbereichen, die eigentlich von den geschädigten Sehnervenfasern versorgt werden müssten, zeigen sich Ausfälle. Die Gesichtsfeldeinschränkungen schreiten mit zunehmender Sehnervschädigung fort.

Formen

Wie bei vielen anderen Erkrankungen, so werden auch beim Glaukom primäre und sekundäre Formen unterschieden. Primärglaukome lassen sich nicht auf weitere Krankheitsursachen zurückführen, während Sekundärglaukome als folge anderer Augenkrankheiten wie etwa der diabetischen Retinopathie entstehen. Mit Ausnahme des akuten Winkelblockglaukoms ist der grüne Star eine über Jahrzehnte hin fortschreitende Erkrankung, die lange unentdeckt und somit unglücklicherweise unbehandelt bleibt.

  • Das primäre Offenwinkelglaukom (Weitwinkelglaukom) macht 60 bis 90 % der Fälle aus. Dabei hat der Kammerwinkel eine normale Öffnungsweite, aber der Abfluss des Kammerwassers ist gestört. Dies liegt in der Regel an einer Funktionsbeeinträchtigung des Trabekelwerks. Sich dadurch anstauendes Kammerwasser lässt den Augendruck ansteigen. Ein primäres Offenwinkelglaukom kann auch angeboren sein (kongenitales Glaukom). Dabei ist der Kammerwinkel durch embryonales Gewebe verlegt, das operativ eingeschnitten oder entfernt werden muss.
  • Auch beim Engwinkelglaukom (Winkelblockglaukom), das etwa 5 % der Fälle ausmacht, ist der Augeninnendruck durch eine Abfluss-Störung des Kammerwassers erhöht. Im Gegensatz zum Weitwinkelglaukom ist jedoch der Kammerwinkel verengt oder gar ganz geschlossen und so der Zugang zum Trabekelwerk verlegt. Im Gegensatz zu anderen Formen des Glaukoms entsteht ein Winkelblockglaukom als akuter Notfall, der unbehandelt innerhalb von 2 Wochen zur Erblindung führen kann. Häufigste Ursache des akuten Winkelblockglaukoms ist ein Pupillarblock. Dabei liegt die Hinterfläche der Regenbogenhaut der Vorderfläche der Linse direkt auf. Dadurch kann das in der hinteren Augenkammer gebildete Kammerwasser nicht in die Vorderkammer gelangen. Es staut sich hinter der Regenbogenhaut und drückt diese nach vorne, so dass sich der Kammerwinkel verengt und kein Kammerwasser mehr abfließen kann.
  • Als Ursache des Normaldruckglaukoms gilt eine mangelnde Blutversorgung des Sehnervs.
  • Sekundärglaukome haben eine schlechtere Prognose entstehen durch andere Augenerkrankungen:
    • Bei schweren Formen einer diabetischen Retinopathie kann es zu Gefäßneubildungen (Neovaskularisationen) kommen. Die von Anfang an schadhaften Gefäße können bis in die Regenbogenhaut wuchern und den Kammerwinkel verlegen (Neovaskularisationsglaukom).
    • Reibt die Hinterfläche der Regenbogenhaut an den Ausläufern des Strahlenkörpers, können aus der Regenbogenhaut Pigmentkörnchen freigesetzt werden, die das Trabekelwerk in der Vorderkammer verstopfen (Pigmentdispersionsglaukom).
    • Beim sogenannten pseudoexfoliativen Syndrom (PXF) kommt es an vielen Stellen des Körpers - darunter auch im Auge - zu eiweißartigen Ablagerungen. Ähnlich wie die Pigmentkörnchen beim Pigmentdispersionsglaukom können die Ablagerungen beim pseudoexfoliativen Syndrom das Trabekelwerk verstopfen und so den Abfluss des Kammerwassers verhindern (Pseudoexfoliationsglaukom, PEX-Glaukom).
    • Sekundärglaukome können auch durch Verletzungen, Entzündungen und Cortisonbehandlungen entstehen.

Symptome und Auswirkungen auf das Sehvermögen

Die ersten glaukombedingten Gesichtsfeldausfälle betreffen typischerweise weder den Rand noch das Zentrum des Gesichtsfeldes. Sie bleiben über einen langen Zeitraum unbemerkt, weil das Gehirn die Stellen der Gesichtsfeldausfälle mit plausiblen Informationen ausfüllt - genauso wie es dies mit dem natürlichen „blinden Fleck“ tut. Erst beim häufigeren Stoßen an Gegenständen, Zusammenprall mit Passanten oder (Beinahe)unfällen im Straßenverkehr wird den Patienten bewusst, dass sie in bestimmten Bereichen ihres Gesichtsfelds Ausfälle haben. Dieser Prozess betrifft in der Regel zunächst das äußere Gesichtsfeld. Unbehandelt engt sich das Gesichtsfeld von außen nach innen zum sogenannten Tunnel- oder Flintenröhrenblick ein - ein Sehstatus, wie er auch bei vielen Formen der Retinitis pigmentosa (RP) vorkommt. Das orientierende Sehen ist stärker beeinträchtigt als das erkennende Detail- und Farbensehen. Blendungsempfindlichkeit, Nachtblindheit und Schwierigkeiten bei der hell-dunkel-Anpassung des Auges stellen sich zusätzlich ein. Schreitet die zugrundeliegende Sehnervschädigung weiter fort, fällt auch das zentrale Sehen aus, was zur vollständigen Erblindung führen kann.

Nützliche Hilfsmittel und Arbeitstechniken

Das Glaukom ist eine fortschreitende Augenerkrankung und aufgrund seiner zahlreichen Erscheinungsformen genau genommen auch keine präzise Diagnose. Außerdem sind die Verläufe von Person zu Person auch beim Vorliegen der gleichen Form unterschiedlich. Deshalb darf sich die Empfehlung sehbehinderten- bzw. blindenspezifischer Hilfsmittel und Arbeitstechniken nicht am Krankheitsbegriff allein orientieren. Vielmehr müssen Hilfsmittel und Arbeitstechniken auf das aktuelle Sehvermögen - vor Allem Sehschärfe und Gesichtsfeld - sowie die individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz zugeschnitten sein. Dies bedeutet, dass Sehhilfenanpassungen und Hilfsmittelberatungen nach einer Veränderung des Sehstatus oder des Tätigkeitsprofils unbedingt wiederholt werden sollten. Die folgenden Aussagen sind deshalb nur als allgemeine Leitsätze zu verstehen und ersetzen in keinem Fall eine individuelle Low Vision- oder EDV-Beratung:

Behandlung

  • Wird ein Glaukom im Frühstadium entdeckt, kann eine medikamentöse Augeninnendrucksenkung mittels Augentropfen und/oder Tabletten ausreichen.
  • Augendrucksenkung per Laserbehandlung:
    • Die Laser-Trabekuloplastik dient der Verbesserung des Abflusses von Kammerwasser. Dabei werden durch teilweise Verödung des Kammerwinkel-Gewebes die Poren des Trabekelwerks vergrößert
    • Die Laser-Iridotomie zielt auf eine verbesserte Kammerwasserzirkulation, vor Allem beim akuten Winkelblockglaukom: Neben der Pupille werden weitere winzige Öffnungen in der Regenbogenhaut geschaffen.
    • Die selten angewandte Zyklophotokoagulation reduziert die Kammerwasserproduktion durch eine teilweise Zerstörung des Strahlenkörpers in der hinteren Augenkammer.
  • Operative Augendrucksenkung: Die am Häufigsten durchgeführte Operation ist die Trabekulektomie. Dabei wird eine Aussparung ins Trabekelwerk geschnitten und das Kammerwasser in eine deckelartige Öffnung in der Lederhaut unter die Bindehaut geführt.

Zahlen und Fakten

Weltweit ist das Glaukom die zweithäufigste, in Deutschland die dritthäufigste Erblindungsursache (nach der Altersabhängigen Makula-Degeneration und der diabetischen Retinopathie). Die Gesamtzahl der Glaukomerkrankungen wird in Deutschland auf 800 000 bis eine Million geschätzt. Das Glaukomrisiko steigt bereits im mittleren Lebensalter an: Etwa 2 % aller 40Jährigen sind betroffen, aber bereits 7 % der über 90Jährigen.

Weiterführende Informationen

Augenheilkundliches Hintergrundwissen

Selbsthilfeorganisationen

Filme und Simulationen

Brailleliga - Ligue Braille

Broschüren