Albinismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. Mai 2019, 09:33 Uhr

Albinismus bezeichnet eine Gruppe von angeborenen Stoffwechselerkrankungen, die zu einer Störung in der Bildung oder dem Transport des dunklen Farbstoffs Melanin führen. Der Farbstoff (das Pigment) Melanin kommt in Haut und Haaren vor und ist ein natürlicher Sonnenschutz, der die Strahlung des Sonnenlichts weitgehend absorbiert. Menschen mit Albinismus steht dieser Lichtschutzfaktor nicht oder nur in geringerem Maße zur Verfügung. Besonders wichtige Aufgaben erfüllt das Melanin im Auge:

  • Sein Vorhandensein in der Regenbogenhaut und der hintersten Netzhautschicht stellt einen natürlichen Blendschutz dar.
  • In der Embryonalzeit muss genügend Melanin vorhanden sein, damit sich in der Netzhautmitte die Region des schärfsten Sehens (Makula) und im Gehirn die Bahnen des Sehnervs korrekt ausbilden.

Entsprechend kommt es bei Albinismus zu folgenden Einschränkungen der Sehfähigkeit:

  • Erhöhte Licht- und Blendungsempfindlichkeit,
  • stark verminderte Sehschärfe,
  • unwillkürliches Augenzittern (Nystagmus),
  • verminderte Fähigkeit zu räumlichem Sehen, meist kombiniert mit Schielen.

Ursachen

Die Bildung des Farbstoffs Melanin und sein Transport in die Zielstrukturen der entsprechenden zellen ist ein komplexer, mehrstufiger Prozess. Damit dieser reibungslos ablaufen kann, werden zahlreiche Proteine (Eiweiße) benötigt, die der menschliche Körper selbst herstellt. Die „Baupläne“ für diese Proteine sind in den Erbanlagen, den Genen, verankert.
Bei den verschiedenen Formen des Albinismus ist mindestens eines der Gene der für die Herstellung und den Transport des Melanins benötigten Eiweiße defekt. Im Ergebnis wird zu wenig oder gar kein Melanin produziert.

Formen

Es werden zwei Formengruppen von Albinismus unterschieden:

  • Beim okulokutanen Albinismus sind sowohl am Auge (lateinisch: Oculus) als auch in der Haut (lateinisch: Cutis) Symptome nachweisbar,
  • der okuläre Albinismus betrifft nur die Augen - an Haut und Haaren sind keine Symptome erkennbar.

Symptome und Auswirkungen auf das Sehvermögen

Selbst wenn beim okulokutanen Albinismus Haut und Haare mitbetroffen sind, fallen die Betroffenen nicht zwangsläufig durch Hellhäutig- und Hellhaarigkeit auf, denn die Symptomatik kann mehr oder minder stark ausgeprägt sein. Je nach Form des Albinismus kann das Sehvermögen entweder nur wenige Prozent betragen oder aber auch mit Hilfe von Brillen auf 100 % korrigierbar sein. Bei etwa einem Viertel der Betroffenen reicht die Sehfähigkeit aus, um den Führerschein zu machen. Die Auswirkungen des Albinismus auf Augen und Sehvermögen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Lichtempfindlichkeit / Lichtscheu:Weil Melanin in der Regenbogenhaut fehlt, ist diese nicht völlig undurchsichtig. Licht erreicht so nicht allein über den natürlichen Weg der Pupille die Netzhaut, sondern scheint auch durch die teiltransparente Regenbogenhaut. Das „Überangebot“ an Licht lässt Betroffene helle natürliche oder künstliche Lichtsituationen meiden.
  • Erhöhte Blendungsempfindlichkeit: Bei Albinismus ist nicht nur die Regenbogenhaut, sondern auch die Netzhaut, der Sitz der Sehzellen, unzureichend pigmentiert. Zusätzlich ist die Netzhautmitte bei albinotischen Menschen oft nicht voll ausgebildet. In der Netzhautmitte - der Region des scharfen Sehens, die auch Makula genannt wird - befinden sich überwiegend die für das Tagsehen verantwortlichen Sehzellen vom Typ der Zapfen. Die Zapfen sind weniger lichtempfindlich als die für das Dämmerungssehen zuständigen Sehzellen vom Typ der Stäbchen. In der intakten Netzhaut wird die Aktivität der Stäbchen bei Tage automatisch blockiert. Sind jedoch die Zapfen der Makula inaktiv oder fehlen, sind die lichtempfindlichen Stäbchen auch bei Tage aktiv und werden von der Lichtfülle permanent überreizt. Blendung ist die Folge. Albinotische Menschen tragen bei hellem natürlichem oder künstlichem Licht deshalb in der Regel eine Sonnenbrille, Lichtschutzgläser oder getönte Kontaktlinsen.
  • Stark herabgesetzte Sehschärfe: Das Fehlen der Sehzellen vom Typ der Zapfen in der Netzhautmitte verursacht nicht nur erhöhte Blendempfindlichkeit: Die Zapfen sind auch für das scharfe Detailsehen und damit für den größten Teil der Sehschärfe verantwortlich. Sind sie nur unzureichend ausgebildet, ist die Sehschärfe der Betroffenen Person stark herabgesetzt.
  • Unwillkürliches Augenzittern (Nystagmus): Gegenstände werden so fixiert, dass ihr Bild in die Makula, die Netzhautmitte, und damit in die Region des scharfen Sehens fällt. Ist die Sehschärfe durch die unvollständige Ausbildung der Makula herabgesetzt, liefert das Fixieren eines Gegenstands auf die allgemein übliche Weise dem Gehirn kein scharfes Bild. Aufgrund dieses Umstands veranlasst das Gehirn die Augen zu nicht willentlich steuerbaren Suchbewegungen nach einer Möglichkeit, ein schärferes Bild zu liefern.
  • verminderte Fähigkeit zu räumlichem Sehen: In der Regel ist das Gesichtsfeld sozusagen unter beiden Gehirnhälften gleichmäßig und symmetrisch aufgeteilt: Nachdem die Hälfte der Sehnervenfasern auf dem Weg zum Gehirn die Körperseite gewechselt hat, bekommt jede Hirnhälfte von beiden Augen den Teil des Bildes geliefert, der zu dieser Seite gehört. Die in der Regel leicht versetzten Bilder beider Augen können vom Gehirn verglichen und daraus ein Eindruck räumlicher Tiefe erzeugt werden. Bei albinotischen Menschen wechselt ein größerer Anteil der Sehnerven - in Einzelfällen bis zu 90 % - die Hirnhälfte, so dass die zusammengehörigen Bilder nicht immer auf derselben Seite verarbeitet werden. Dadurch ist das räumliche Sehen beeinträchtigt.
  • Schielen: Das Schielen tritt oft als Folge des gestörten räumlichen Sehens auf. Ist es stark ausgeprägt und tritt bereits im Kleinkindalter auf, besteht unbehandelt die Gefahr, dass das Gehirn die Informationen vom stärker schielenden Auge unterdrückt und dadurch weitere Seheinschränkungen entstehen.
  • Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit und Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) sind häufige Begleiterscheinungen des Albinismus.

Insbesondere bei den verschiedenen Unterformen des okulokutanen Albinismus sind die genannten Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt. Entsprechend kommen Sehschärfen zwischen 10 % und 50 % vor.

Nützliche Hilfsmittel und Arbeitstechniken

Die Ausprägung des Albinismus und die damit einhergehenden Sehbeeinträchtigungen sind von Person zu Person unterschiedlich. Deshalb darf sich die Empfehlung sehbehinderten- bzw. blindenspezifischer Hilfsmittel und Arbeitstechniken nicht allein am Krankheitsbegriff orientieren. Vielmehr müssen Hilfsmittel und Arbeitstechniken auf das aktuelle Sehvermögen - vor Allem auf die Sehschärfe und die Form eines eventuell vorhandenen Schielens - sowie die individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz zugeschnitten sein. Dies bedeutet, dass Sehhilfenanpassungen und Hilfsmittelberatungen nach einer Veränderung des Sehstatus oder des Tätigkeitsprofils unbedingt wiederholt werden sollten. Die folgenden Aussagen sind deshalb nur als allgemeine Leitsätze zu verstehen und ersetzen in keinem Fall eine individuelle Low Vision- oder EDV-Beratung:

  • Der Licht- und Blendempfindlichkeit kann mit getönten Sonnenbrillen, getönten Kontaktlinsen, Kantenfilterbrillen und breitkrempigen Kappen und Hüten begegnet werden.

Behandlung

Eine ursächliche Behandlung des Albinismus ist derzeit nicht möglich, da eine entsprechende Gentherapie noch nicht zur Verfügung steht.

Weitere Maßnahmen im Alltag

  • Bei Sonnenschein sollten Betroffene eine Kopfbedeckung tragen und die Haut mit einem besonders hohen Lichtschutzfaktor schützen.
  • Gegen die Blendempfindlichkeit können Sonnenbrillen, Kantenfilterbrillen und getönte Kontaktlinsen eingesetzt werden.

Zahlen und Fakten

In Deutschland haben etwa 5 000 Menschen eine Form von Albinismus.

Weiterführende Informationen

Vertiefende Artikel

Augenheilkundliches Hintergrundwissen

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