Zapfen-Stäbchen-Dystrophie (ZSD): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. Mai 2019, 13:10 Uhr

Zapfen-Stäbchen-Dystrophie (ZSD) ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Formen erblicher Netzhauterkrankungen. Dabei sterben zunächst die für das Farb- und Detailsehen zuständigen Lichtsinneszellen - die Zapfen - ab, im weiteren Verlauf aber auch die für das Dämmerungs- und Bewegungssehen verantwortlichen Stäbchen. So verringert sich bereits zu Krankheitsbeginn die Fähigkeit, Farben zu unterscheiden, visuell zu Lesen, Auto zu fahren, Gesichter zu erkennen und direkt anvisierte Objekte scharf zu sehen bzw. zu erkennen. Zapfen-Stäbchen-Dystrophien können derzeit weder gestoppt, noch geheilt werden. Mit Maßnahmen wie Lichtschutz und speziell abgestimmter Vitamin-Therapie lässt sich der Degenerationsprozess der Netzhaut verlangsamen. Der Begriff „Dystrophie“ bedeutet „Fehlwuchs“ oder „Mangelernährung“ und beschreibt die von Gendefekten verursachte Rückbildung (Degeneration) der Netzhaut-Sehzellen nach Störung und Zusammenbruch ihres Stoffwechsels.

Ursachen

Das Umwandeln von Lichtreizen zu Sinnesinformation in den Sehzellen (Photorezeptoren) der Netzhaut ist ein komplexer physikalisch-chemischer Prozess. Damit dieser reibungslos ablaufen kann, werden zahlreiche Eiweiße (Proteine) benötigt, die der menschliche Körper selbst herstellt. Die „Baupläne“ für diese Proteine sind in den Erbanlagen, den Genen, verankert.
Bei den verschiedenen Formen der Zapfen-Stäbchen-Dystrophien ist mindestens eines der Gene für den Bauplan eines der in den Lichtsinneszellen der Netzhaut benötigten Proteine defekt. Auf der Basis des falschen Bauplans wird entweder ein fehlerhaftes oder auch gar kein Eiweiß hergestellt. Dies führt zu Fehlfunktionen und Stoffwechselstörungen in den Lichtsinneszellen. Dadurch werden diese Zellen geschädigt. Ein „Sicherheitssystem“ des Körpers löst in diesen Zellen ein „Selbstmordprogramm“ aus, und schließlich werden die abgestorbenen Photorezeptoren vom Immunsystem abgebaut.

Die Lichtsinneszellen der Netzhaut

Zwei Arten von Sehsinneszellen - Zapfen und Stäbchen - sorgen in der Netzhaut für die Umwandlung von Lichtreizen in elektrische Sinnesinformation. Während die Zapfen vor Allem für das Sehen von Farben und Details zuständig und bei hellem Tageslicht aktiv sind, vermitteln die Stäbchen die Wahrnehmung von Helligkeit, Kontrast sowie bewegung und arbeiten bei dunkleren Lichtverhältnissen, insbesondere in der Dämmerung. Die Randbereiche der Netzhaut versorgen das äußere (periphere) Gesichtsfeld mit Sinnesinformation. Dort gibt es fast ausschließlich Stäbchen, weshalb diese Region für das „Orientierungssehen“ von entscheidender Bedeutung ist. In der Mitte der Netzhaut befindet sich mit dem „gelben Fleck“ (der Makula) die Region, die die Sinnesinformation für das mittig gelegene (zentrale) Gesichtsfeld liefert. Die Makula ist der Bereich des scharfen Sehens, weil dort die Dichte der Photorezeptoren am Größten ist. In der Makula finden sich allerdings nur Zapfen. Darum ist das zentrale Gesichtsfeld für das Erkennen von Details und Farben bei Tage zuständig.

Symptome und Verlauf

Bei den meisten Betroffenen macht sich die ZSD bereits im Schulalter bemerkbar. Die Erkrankung beginnt mit dem Absterben der zentral in der Netzhaut gelegenen, für das Farb- und Detailsehen bei Tage zuständigen Zapfen. Deshalb verringert sich bereits zu Krankheitsbeginn die Fähigkeit, Farben zu unterscheiden, visuell zu Lesen, ein Fahrzeug zu führen, Gesichter zu erkennen und direkt anvisierte Objekte scharf zu sehen und zu erkennen. Eine Verbesserung der Sehschärfe lässt sich allein durch das Tragen eine Brille nicht erreichen. Betroffene Kinder und Jugendliche fallen oft durch eine ausgeprägte Lichtscheu (Photophobie) und durch „Vorbeischauen“ am zu betrachtenden Objekt auf.

In diesem Stadium der ZSD ist das äußere Gesichtsfeld und damit das Dämmerungssehen und die großräumige visuelle Orientierung nur durch eine verstärkte Blendempfindlichkeit gestört. Erst im weiteren Verlauf, wenn die ZSD auch die Randbereiche der Netzhaut und damit die Stäbchen erfasst, treten Nachtblindheit und Gesichtsfeldeinengung auf. Häufig tritt das unwillkürliche Augenzittern (Nystagmus) als Symptom hinzu.

Nützliche Hilfsmittel und Arbeitstechniken

Die Zapfen-Stäbchen-Dystrophie ist eine fortschreitende Augenerkrankung und aufgrund ihrer zahlreichen Unterformen genau genommen auch keine präzise Diagnose. Außerdem sind die Verläufe von Person zu Person auch beim Vorliegen der gleichen Form unterschiedlich. Deshalb darf sich die Empfehlung sehbehinderten- bzw. blindenspezifischer Hilfsmittel und Arbeitstechniken nicht am Krankheitsbegriff orientieren. Vielmehr müssen Hilfsmittel und Arbeitstechniken dem aktuellen Sehvermögen - vor Allem Sehschärfe und Gesichtsfeld - sowie den individuellen Anforderungen am Arbeitsplatz angepasst sein. Dies bedeutet, dass Sehhilfenanpassungen und Hilfsmittelberatungen nach einer Veränderung des Sehstatus oder des Tätigkeitsprofils wiederholt werden sollten. Die folgenden Aussagen sind deshalb nur als allgemeine Leitsätze zu verstehen und ersetzen in keinem Fall eine individuelle Low Vision- oder EDV-Beratung:

Behandlung

Die ursächliche Therapie der ZSD als Gruppe von Erberkrankungen bestünde in einer Gentherapie. Gentherapien befinden sich derzeit jedoch erst im Forschungsstadium. Die aktuellen Möglichkeiten bestehen darin:

  • Das Fortschreiten des Absterbens der Zapfen und Stäbchen durch Anwenden von Lichtschutz und durch speziell abgestimmte Vitamintherapien zu verlangsamen und gleichzeitig
  • Komplikationen wie Schwellungen der Netzhautmitte (Makula-Ödem), einen grauen Star oder Entzündungen zu behandeln.

Zahlen und Fakten

Von Zapfen-Stäbchen-Dystrophie sind in Deutschland schätzungsweise 2 000 Menschen betroffen. Damit zählt die ZSD zu den seltenen Augenerkrankungen.

Andere Formen von Netzhautdystrophien

Die Bezeichnung „Zapfen-Stäbchen-Dystrophie“ bringt zum Ausdruck, dass zuerst die Zapfen, dann die Stäbchen betroffen sind. Umgekehrt gibt es auch Stäbchen-Zapfen-Dystrophien, bei denen zunächst die Stäbchen, später die Zapfen erkranken. Als Beispiele können die meisten Formen der Retinitis Pigmentosa gelten. Zapfen-Stäbchen-Dystrophien und Stäbchen-Zapfen-Dystrophien zusammengenommen werden auch als generalisierte Netzhautdystrophien bezeichnet, weil sie die gesamte Netzhaut betreffen.

Netzhautdystrophien, die nur die Netzhautmitte - die Makula als Region des scharfen Sehens - betreffen, werden Makuladystrophien genannt. Da sich in der Netzhautmitte fast ausschließlich Zapfen befinden, können Makuladystrophien als reine Zapfendystrophien gelten. Beispiele für angeborene Formen von Zapfendystrophien sind der Morbus Stargardt und der Morbus Best. Im Gegensatz zu den reinen Zapfendystrophien kommen auch reine Stäbchendystrophien vor, die dann überwiegend die Randbereiche der Netzhaut beeinträchtigen und Ausfälle im äußeren Gesichtsfeld verursachen.

Weiterführende Informationen

Augenheilkundliches Hintergrundwissen

Selbsthilfeorganisationen